Mentale Stärke und Durchhaltevermögen im Triathlon: Ein Interview mit Ronnie Schildknecht (elffacher Ironman Sieger)

Mentale Stärke und Durchhaltevermögen im Triathlon: Ein Interview mit Ronnie Schildknecht (elffacher Ironman Sieger)

Im Triathlon sind neben körperlicher Fitness auch mentale Stärke, Durchhaltevermögen und Schmerzbewältigung entscheidend. Lies unser vollständiges Interview mit Ronnie Schildknecht, um mehr über seine Strategien und Erfahrungen zu erfahren.

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Mentale Stärke

Positivdenken & Fokussierung

Triathlon

Schwimmen, Radfahren, Laufen

Exklusives Interview

mit Ronnie Schildknecht

Mit dem Start der Olympischen Spiele rückt der Triathlon wieder in den Mittelpunkt des internationalen Sports. Diese faszinierende Ausdauerdisziplin, welche Schwimmen, Radfahren und Laufen kombiniert, verlangt den Athleten aussergewöhnliche Vielseitigkeit und Ausdauer ab. An den olympischen Spielen werden die folgenden Strecken absolviert: 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen. Diese Streckenlänge stellt sowohl für Amateursportler als auch für Profis eine anspruchsvolle Herausforderung dar. Viele Athleten streben aber noch einer grösseren Herausforderungen und absolvieren die Ironman-Strecke, welche  aus 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und einem abschliessenden Marathon (42,2 km) besteht.

Inmitten dieser spannenden Zeit hatten wir die Gelegenheit, mit Ronnie Schildknecht, einem der erfolgreichsten Triathleten der Schweiz, zu sprechen. Ronnie hat sich nicht nur durch seine physischen Leistungen, sondern auch durch seine mentale Stärke einen Namen gemacht. Besonders über die Ironman-Distanz konnte er sich als herausragender Profiathlet etablieren. Im Interview teilt er seine Einsichten über die Bedeutung der mentalen Vorbereitung, den Umgang mit Schmerzen und das Durchhaltevermögen, das erforderlich ist, um in dieser anspruchsvollen Sportart erfolgreich zu sein.

Ronnie, bevor du zum Triathlon gekommen bist, hattest du einen vielseitigen sportlichen Hintergrund. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Ronnie Schildknecht: Ja, ich war lange Zeit polysportiv unterwegs und habe viel Tennis und Eishockey gespielt. Erst mit etwa 20 Jahren entdeckte ich den Duathlon und Triathlon für mich. Da ich bereits gut im Laufen und Radfahren war, fiel mir der Einstieg in diese Disziplinen leichter; Schwimmen hingegen war eine Herausforderung. Aus diesem Grund habe ich mich anfangs auf den Duathlon konzentriert, da ich im Triathlon noch nicht so wettbewerbsfähig war. Mit der Zeit verbesserte ich mich im Schwimmen, und der Wechsel zum Triathlon war klar – vor allem, wenn man den Sport professionell betreiben möchte. Auch wenn ich weiterhin im Duathlon stark war, wurde Triathlon mein Hauptfokus, da man von diesem Sport besser leben kann. Schon vor meiner Triathlon-Karriere trainierte ich 10-15 Stunden pro Woche. Dieses Pensum steigerte ich dann auf 20-30 Stunden, als ich mich voll dem Triathlon widmete.

20-30 Stunden pro Woche – das sind beeindruckende Trainingsumfänge. Triathlon ist bekanntlich eine extrem fordernde Sportart. Wie wichtig ist die mentale Stärke für einen erfolgreichen Triathleten?

Ronnie Schildknecht: Ich war sicherlich nicht der Athlet, der am meisten trainiert hat. Es gab andere Athleten, die wesentlich mehr trainiert haben. Doch mentale Stärke ist absolut entscheidend im Triathlon. Man muss in der Lage sein, über viele Stunden hinweg fokussiert zu bleiben und sich durch schwierige Phasen zu kämpfen. Es gibt immer wieder Momente im Wettkampf, in denen der Körper streikt oder die Energie nachlässt. Hier kommt die mentale Komponente ins Spiel: Man muss lernen, diese Krisen zu managen und positiv zu bleiben. Ich habe mir vor jedem Rennen verschiedene Szenarien vorgestellt, die passieren könnten, und mir überlegt, wie ich darauf reagieren würde. Diese Vorbereitung gibt einem Sicherheit und hilft, in stressigen Situationen ruhig zu bleiben und eine Lösung zu finden.

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Was bedeutet Krisenmanagement im Triathlon und wie setzt du das um?

Ronnie Schildknecht: Krisenmanagement bedeutet, vorbereitet zu sein auf die unvermeidlichen Tiefpunkte, die während eines langen Wettkampfs auftreten können. Das kann ein physischer Einbruch sein, wie ein Krampf oder ein Energiemangel, oder auch eine mentale Krise, bei der man das Gefühl hat, nicht mehr weiterzukommen. Der Schlüssel ist, diese Situationen nicht nur zu erwarten, sondern auch konkrete Strategien zu haben, um damit umzugehen. Das könnte zum Beispiel bedeuten, spezielle Techniken zur Atmung und Entspannung zu nutzen oder sich selbst mit positiven Gedanken zu motivieren. Es geht darum, sich daran zu erinnern, warum man das macht, und die kleinen Erfolge auf dem Weg zu schätzen.

Wie bleibt man acht Stunden lang fokussiert und mental stark?

Ronnie Schildknecht: Es ist eine grosse Herausforderung, über eine so lange Zeit fokussiert zu bleiben. Eine Methode, die mir geholfen hat, ist das mentale Durchspielen des Wettkampfs im Vorfeld. Ich stelle mir vor, wie ich die verschiedenen Phasen des Rennens bewältige, von der Aufregung am Start über die Höhen und Tiefen während des Wettkampfs bis hin zum Gefühl des Überquerens der Ziellinie. Diese mentale Vorbereitung hilft, im Wettkampf selbst weniger überrascht oder überwältigt zu sein, da man sich gedanklich schon einmal in diesen Situationen befunden hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das sogenannte „Positivdenken“. Das bedeutet, sich auf die positiven Aspekte des Wettkampfs und des eigenen Fortschritts zu konzentrieren, selbst wenn die Dinge nicht perfekt laufen. Es hilft, sich an die Freude am Sport zu erinnern und sich selbst für kleine Erfolge zu loben. Zum Beispiel kann man sich sagen: „Ich habe diesen Abschnitt gut gemeistert“ oder „Ich bin stark genug, um das zu schaffen“. Diese positive innere Haltung kann eine enorme Motivation sein und hilft, den Fokus zu bewahren.

Du sprichst oft vom „Leiden“ im Wettkampf. Was bedeutet das für dich?

Ronnie Schildknecht: Leiden gehört im Triathlon einfach dazu. Es ist eine kontrollierte Qual, die man durch Training und Vorbereitung bewältigt. 2017 habe ich beim Ironman Texas eine meiner schnellsten Zeiten erreicht, nämlich 7 Stunden, 56 Minuten und 21 Sekunden. Das war eine harte Leistung, die viel Training und Ausdauer erforderte. Der Wettkampf selbst kann sehr schmerzhaft sein, ähnlich wie ein langer Büroalltag, den viele Menschen als ermüdend empfinden. Es geht darum, sich durch schwierige Phasen zu kämpfen und fokussiert zu bleiben. Diese Art des Leidens habe ich akzeptiert und sogar schätzen gelernt, weil sie Teil des Prozesses ist, sich zu verbessern. Schlussendlich ist alles eine Frage des Fokus: Mein Fokus lag auf dem Profisport. Da braucht es neben hartem Training und Talent auch die Bereitschaft zu leiden, um Zeiten unter 8 Stunden zu erreichen. Wenn man ein Ziel vor Augen hat, sei es in der Arbeitskarriere, im Sport oder in einem anderen Bereich, ist es entscheidend, diesen Fokus zu behalten und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen.

Wie gehst du mit körperlichen Problemen und Schmerzen um, die während des Trainings und Wettkampfs auftreten?

Ronnie Schildknecht: Auch ich hatte gewisse körperliche Probleme. Mein Rücken war zum Beispiel eine Schwachstelle, ebenso wie der Bereich um das Gesäss. Ich habe gelernt, gut mit Schmerzen umzugehen, besonders während des Wettkampfs. Es gab Momente, in denen ich Schmerzen hatte und trotzdem gewinnen konnte. Einmal bin ich gestürzt und habe es dennoch geschafft, das Rennen zu gewinnen. Da bin ich voll der Wettkämpfer; ich kann alles andere unterordnen. Das ist vielleicht nicht immer gesund, aber es hat mir keine Nachteile gebracht. Es ist wichtig, im Training Massnahmen zu ergreifen, um den Körper zu pflegen, wie Massagen oder ausreichend Erholung. Selbst wenn man gerne mehr trainieren würde, muss man sich manchmal zurücknehmen, um Verletzungen oder Übertraining zu vermeiden.

Wie wichtig ist es, auf den Körper zu hören und Übertraining zu vermeiden?

Ronnie Schildknecht: Es ist sehr wichtig, die Zeichen des Körpers zu erkennen und darauf zu reagieren. Übertraining kann schnell passieren, besonders wenn man sich ständig an die Grenzen bringt. Es ist wichtig, sich ausreichend zu erholen und nicht ständig nur die Quantität des Trainings zu erhöhen. Heute gibt es viele technische Hilfsmittel, die dabei helfen, den Zustand des Körpers zu überwachen, aber letztendlich muss man selbst lernen, auf die eigenen Signale zu hören.

Welche Rolle spielt die Ernährung in diesem Kontext?

Ronnie Schildknecht: Ernährung ist im Triathlon wie die vierte Sportart. Während des Trainings und Wettkampfs achte ich darauf, genügend Kohlenhydrate und Elektrolyte zu mir zu nehmen, um Energie zu haben und Krämpfe zu vermeiden. Es ist aber auch wichtig, nicht zu streng mit sich selbst zu sein. Man sollte sich auch mal etwas gönnen, solange es in Massen bleibt. Eine ausgewogene Ernährung hilft nicht nur dem Körper, sondern auch dem Geist. Genauso entscheidend ist jedoch die mentale Stärke, die ich oft als die fünfte Sportart bezeichne. Sie ist genauso trainierbar wie physische Stärke und spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung der Herausforderungen im Triathlon.

Was würdest du angehenden Triathleten in Bezug auf mentale Stärke und Durchhaltevermögen raten?

Ronnie Schildknecht: Es ist wichtig, Geduld zu haben und den Prozess zu geniessen. Triathlon ist nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein mentaler Test. Man muss bereit sein, sich durch schwierige Zeiten zu kämpfen und immer an das grosse Ziel zu denken. Jeder hat seine eigenen Herausforderungen, und es ist entscheidend, den eigenen Weg zu finden und zu akzeptieren, dass es Höhen und Tiefen gibt. Der Schlüssel ist, nie aufzugeben und immer einen Schritt weiter zu gehen, auch wenn es schwerfällt.

Ein weiterer wichtiger Ratschlag ist, langsam zu beginnen. Viele Neueinsteiger haben den Ehrgeiz, gleich mit einem Ironman zu starten. Ich empfehle, mit kürzeren Distanzen wie der olympischen Distanz anzufangen. Es ist sinnvoll, sich erst einmal mit den Anforderungen und Abläufen des Triathlons vertraut zu machen. Danach kann man sich allmählich steigern und auch längere Distanzen wie den Halbironman angehen, bevor man sich einem vollen Ironman widmet. Der Körper braucht Zeit, um sich an die Belastungen anzupassen, und es ist besser, Schritt für Schritt vorzugehen, um langfristig erfolgreich zu sein und Verletzungen zu vermeiden.

Viele beginnen gleich mit dem Ironman, was zwar möglich ist, aber nicht optimal. Es ist besser, sich heranzutasten und realistische Ziele zu setzen, wie zum Beispiel eine Zeit von 16 Stunden zu schaffen oder einfach nur das Ziel zu erreichen. Ich empfehle, mindestens 1 bis 1,5 Jahre auf einen Triathlon zu trainieren, bevor man an einem Wettkampf teilnimmt. Einen olympischen Triathlon kann man durchaus auch aus dem Stand versuchen; das schaffen viele noch. Aber für den ersten Ironman sollte man sich gut vorbereiten, um die besten Chancen auf einen erfolgreichen und gesunden Finish zu haben.

Abschliessend: wie hat sich deine Einstellung zur mentalen Stärke über die Jahre entwickelt?

Ronnie Schildknecht: Mit der Zeit habe ich gelernt, dass mentale Stärke genauso trainierbar ist wie physische Stärke. Es ist eine Fähigkeit, die man entwickeln und verbessern kann. Es geht nicht nur darum, durchzuhalten, sondern auch darum, im richtigen Moment klug zu agieren und die richtige Balance zu finden. Die Erfahrung hat mir geholfen, meine mentale Widerstandsfähigkeit zu stärken und besser mit den Herausforderungen umzugehen, die der Triathlon mit sich bringt.

Vielen Dank, Ronnie, für das Interview!

Editorial’s Note

Ronnie Schildknecht zeigt eindrucksvoll, dass Triathlon weit mehr als nur körperliche Fitness erfordert. Mentale Stärke, Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, mit Schmerzen umzugehen, sind wesentliche Bestandteile seines Erfolgs. Seine Erfahrungen und Ratschläge sind nicht nur für Triathleten von unschätzbarem Wert, sondern für jeden, der grosse Ziele verfolgt. Für alle angehenden Triathleten ist dies eine wertvolle Lektion: Bereitet euch nicht nur körperlich, sondern auch mental auf die Herausforderungen dieser anspruchsvollen Sportart vor. Nur wer bereit ist, auch die mentale Ausdauer zu trainieren, wird im Triathlon – und im Leben – langfristig Erfolg haben.

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