Interview mit Martino Goretti: Leistung und Gewicht im Rudern​

Interview mit Martino Goretti: Leistung und Gewicht im Rudern

In der Welt des Leichtgewichtsruderns kämpfen Athleten nicht nur gegen ihre Konkurrenten, sondern auch gegen strikte Gewichtsgrenzen. Martino Goretti, sechsmaliger Weltmeister, vierfacher Europameister und zweifacher Olympionike, gibt in einem exklusiven Interview Einblicke in die Herausforderungen, denen er sich stellen musste.

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Rudern

Insight: Kategorie Leichtgewicht

Interview

mit dem Champion Martino Goretti

Gewichtsabnahme

mit sportlicher Leistungsfähigkeit

Leicht und erfolgreich: Martino Goretti über seinen Weg im Rudersport

In der Welt des Ruderns stellen sich die Athleten der Leichtgewichtskategorie ganz besonderen Herausforderungen, da strenge Gewichtsgrenzen einzuhalten sind. Häufig werden Praktiken zum rigorosen Gewichtsmanagement angewendet, damit sowohl die Leistung erbracht als auch die Gewichtsvorgaben erfüllt werden können.

Unser Ambassador, Martino Goretti, sechsfacher Welt- und vierfacher Europameister und zweifacher Olympionike, gibt uns im nachfolgenden Interview Einblick in die Herausforderungen, mit denen er als Sportler konfrontiert war. 

Martino, wie bist du zum Leichtgewichtsrudern gekommen?

Ich wurde 2003 Juniorenweltmeister. Damals war ich 75 kg schwer. Der Nationaltrainer schlug mir vor, in die Leichtgewichtsklasse zu wechseln. Ich lehnte den Vorschlag des Nationaltrainers ab. Als Jugendlicher war ich entschlossen, Muskelmasse aufzubauen und in der offenen Kategorie anzutreten. In meinem Ruderclub gab es jedoch einen äusserst erfolgreichen Leichtgewichtsruderer. Er war 20 Jahre älter als ich und ein nationales Idol. Er suchte einen Partner und fragte mich, ob ich mit ihm rudern würde. Dieses Angebot konnte ich nicht ausschlagen. Dieser Entscheid wurde belohnt; ich hatte bald Erfolg und gewann meine erste Weltmeisterschaft in der Leichtgewichtsklasse.

Wie viel Gewicht musstest du verlieren?

Nach den Juniorenmeisterschaften stieg mein Gewicht wieder auf mein Normalgewicht von 80kg. Für die folgende Saison musste ich in einem Zeitraum von 6 Monaten etwa 8 kg verlieren, um auf die angestrebten 72 kg zu kommen. Die verbleibenden 2 kg habe ich vor den Wettkämpfen herausgeschwitzt, um 70 kg für meine Wettkämpfe zu erreichen. Ein Unterschied von 10 kg also zu meinem Normalgewicht.

Wie hast du deine Ernährung gemanagt?

Als ich in die Leichtgewichtsklasse wechselte, hatte ich keine Erfahrung hinsichtlich Ernährungsplanung; es gab in unserem Ruderclub auch keine Ernährungsberatung. Ich verliess mich daher auf die Ratschläge anderer Athleten, was nicht immer gesund war. Die Kohlenhydrate reduzierte ich drastisch und ass nur noch Poulet und Salat. Diese extreme Diät half mir, in zwei Monaten 10 kg zu verlieren; sie führte aber auch dazu, dass mein Stoffwechsel erheblich langsamer wurde. Das Abnehmen wurde dadurch in einer späteren Phase viel schwieriger, weil mein Stoffwechsel durcheinander war. Ohne professionelle Anleitung war es viel “Trial and Error”. Die Zusammenarbeit mit einem Ernährungswissenschaftler hat später meinen Ernährungsplan komplett verändert. Wir haben Kohlenhydrate wieder eingeführt und Nahrungsergänzungsmittel verwendet, damit ich mein Energielevel halten und mein Gewicht stabilisieren konnte. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass eine ausgewogene Ernährung entscheidend ist. Die optimale Ernährung half entscheidend, sportlich erfolgreich zu sein. 

Hast du zu dieser Zeit auch Süssigkeiten vermieden?

In den ersten Jahren habe ich bei jeder Gelegenheit Süssigkeiten gegessen. Mein Ernährungscoach hat mir jedoch geholfen zu verstehen, dass der Konsum von Süssigkeiten für meine Leistung nicht effizient war. Mein Ziel war es, Wettkämpfe zu gewinnen und nicht meinen Gelüsten nach Süssigkeit zu erliegen. Als ich das erkannte, begann ich, gesünder zu essen; Haferflocken statt Nutella oder Kuchen. Im Laufe der Zeit hat sich mein Gehirn angepasst, und ich hatte keine Lust mehr auf Zucker. Ich konzentrierte mich darauf zu essen, was für meinen Körper und meine Leistung Sinn machte.

Beschreibe einen typischen Trainingstag!

Ein Trainingstag bestand meistens aus 3 Trainingseinheiten. Ich stand auf und nahm ein  leichtes Frühstück zu mir. Danach folgte ein 2 bis 2.5 stündiges Rudertraining auf dem Wasser. Nach einem (zweiten) ausgiebigen Frühstück gab es ein Training im Kraftraum, gefolgt von einem Proteinshake. Nach dem Mittagessen stand noch eine 3 stündige Ausdauereinheit auf dem Velo auf dem Programm. Das Abendessen bestand aus proteinreichen Lebensmitteln mit Gemüse.

Hast du beim Abnehmen auch Muskelmasse verloren? 

Die Herausforderung bestand bei mir darin, dass ich nie Fett zugenommen habe. Nach Ende der Saison kehrte ich zu meinem üblichen Gewicht zurück, wobei mein Fettanteil konstant niedrig blieb. Im Gegensatz zu anderen Athleten, die leicht Fett verlieren konnten, hatte ich Schwierigkeiten mit Abnehmen, weil ich bereits schlank war. Um die Gewichtsanforderungen vor den Wettkämpfen zu erfüllen, stand ich vor der schweren Wahl: entweder Muskelmasse zu verlieren oder durch Schwitzen Gewicht zu verlieren. Leider blieb mir keine andere Wahl, als Muskelmasse zu opfern.

Welche sind die stärksten Eigenschaften, die du beim Leichtgewichtsrudern benötigt hast? 

Hauptsächlich mentale Stärke; etwa 99% passiert im Kopf. Es geht darum, die Grenzen zu überschreiten. Dazu muss man ein wenig verrückt sein, ähnlich wie diejenigen, die den Mount Everest besteigen. Auch der soziale Aspekt war schwierig. Die intensive Konzentration, die tägliche hohe Leistung und die Einschränkungen beim Essen führten zu starken Gefühlsschwankungen. Seit ich nicht mehr in der Leichtgewichtsklasse rudere, ist meine Stimmung viel ausgewogener. 

Was hat Dich dazu bewogen, von der Leichtgewichtsklasse in die offene Kategorie zu wechseln?

Ich habe meine Reise in der Leichtgewichtskategorie geschätzt und sehr viel dabei gelernt. Die Zeit seit Start meiner Ruderkarriere hat mir das bemerkenswerte Potenzial unseres Körpers aufgezeigt und gezeigt, dass viele wahrgenommene Einschränkungen hauptsächlich mental sind. Vieles hängt von meiner Einstellung ab – es ist ein mentales Spiel. Ich fühle mich nun bereit und freue mich darauf, neue Herausforderungen in der offenen Kategorie anzunehmen.

Du bist auch Triathlon-Trainer. Denkst du darüber nach, ob dein Sohn (Michele, 2 Monate alt) Triathlon oder Rudern als Sport wählen sollte?

Es kommt auf seine Persönlichkeit an. Rudern ist ein Mannschaftssport, bei dem Vertrauen von entscheidender Bedeutung ist. Es ist erfüllend, mit Menschen zu rudern, denen man vertraut. Im Gegensatz dazu ist Triathlon eine einsame Tätigkeit, bei der es allein auf die Leistung ankommt. Im Rückblick würde ich mich für Triathlon entscheiden, wenn ich meine Karriere noch einmal starten könnte. Diese Erkenntnis kam aber erst später. Dennoch bin ich sehr zufrieden mit meiner Ruderkarriere. Mein Rat an Michele: Glaube daran, dass der Körper zu mehr fähig ist, als du denkst; versuche Grenzen zu überschreiten! 

Vielen Dank, Martino, für das Interview!



Anmerkung der Redaktion: 

Martinos Karriere im Leichtgewichtsrudern ist ein Beweis für die unglaubliche mentale und physische Leistung, die in dieser Sportart erforderlich ist. Seine Erfahrungen betonen die Bedeutung einer angemessenen Ernährung, die Herausforderungen beim Gewichtsmanagement und die mentale Stärke, die nötig ist, um erfolgreich zu sein. Es wird auch deutlich, dass extreme Auflagen wie eine starke Reduktion der Kohlenhydrate oder eine drastische Energiereduktion nicht förderlich sind und sowohl den Stoffwechsel als auch die Leistung beeinträchtigen können.

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